Andreas Kocks
Andreas Kocks

Andreas Kocks

“Als Bildhauer habe ich schon immer viele Zeichnungen gemacht, technische aus praktischen Notwendigkeiten und freie aus Freude und der Lust der Unmittelbarkeit des Ausdrucks. Das Bedürfnis, mehr aus dem Medium Zeichnung zu machen, hat im Laufe der Zeit dazu geführt, in die Zeichnungen hinein zu schneiden, um dadurch Raum zu gewinnen und die Zeichnung lebendig werden zu lassen.

Dadurch entstanden die ersten Reliefs, die zunächst noch sehr in sich geschlossene Körper darstellten und sehr bildhafte Qualitäten hatten. Diese Doppelfunktion als Bild und als Objekt hat mich immer fasziniert, die bewusste Platzierung des Relief-Bildes auf der Wand hat mich dann motiviert, installativer und ortsspezifischer zu arbeiten und die jeweilige architektonische Situation ins künstlerische Konzept zu integrieren.“

- Andreas Kocks

 

Was für ein Vorgang ist es, eine Oberfläche zu durchschneiden?

Es ist möglicherweise wild, niederträchtig, sogar gewalttätig, - oder aber eine Art chirurgischer Eingriff oder Wundverschluss, ein Zeichen künftiger Heilung und Wiedergutmachung. Von Schneiden sprechen wir, wenn wir jemanden ausschließen, eine gesellschaftliche Metapher, die auf den scharfen Schnitt des Messers zurückgeht, die gesellschaftliche Schärfe des Messers, das ruchlos in den Rücken sticht. Doch ist ein Schnitt auch eine Zäsur, eine Befreiung, ein Wechsel, eine plötzlich umgestaltende Bewegung, eine Wandlung von einem Zustand in einen anderen, wie der Cut, der Zeit und Bild im Film verschränkt, wie die Beschneidung, die verbindet, indem er erlöst und befreit. Der Unterschied liegt in der Intention. Aber wesentlich ist immer die Schärfe des Schnitts und das Umfeld, das den Unterschied zweier Sinnebenen markiert. Der Schnitt kerbt, graviert, ritzt und präzisiert.

In der zeitgenössischen Kunst wird der Schnitt primär mit dem künstlerischen Vermächtnis von Lucio Fontana, dem italienischen Künstler und Meister der Textur. verknüpft. Fontanas beständig erfindungsreiches Werk sticht, durchlöchert, schlitzt und zerlegt in wilder Attacke die modernistische Bildnache (1949 wird als Jahr des Schnitts* bezeichnet, als dem kennzeichnenden Moment des Zerrissenen. Zerfetzten und absichtsvoll Durchstoßenen in Malerei und Collage). Nach Hiroshima ist das Gedicht auch aus der Bildfläche verschwunden, um Adorno und die desillusionierten europäischen Künstler der Zeit verkürzt zu zitieren.

Aber, wie bei anderen Strömungen der Avantgarde und politisch engagierter Kunst: die daraus gezogenen Lehren werden heute nuancierter und weniger streng gesehen.

Andreas Kocks zieht seine Lehre aus der jüngsten Geschichte und steigert äußerste Körperlichkeit wie auch metaphorisches Potenzial. Auch er schneidet und setzt Zeichen tief in eine Oberfläche, doch ist sein bevorzugtes Medium nachgiebiger, weniger widerständig als Fontanas Flächen. Nachdem er das Gewicht, die Gravitas, der Skulptur in Stahl, Bronz,. Blei und Zement aufgegeben hatte, wandte sich Kocks dem Papier zu, jener Substanz, die zwischen steifer Materialität und Elastizität changiert - einem Stoff, zu dem Künstler immer wieder zurückkehren wie zu einer alchemistischen Ursubstanz, seien sie Postmodernisten oder Reaktionäre.

Zugleich mit der Erforschung des Raumes, den seine Werke einnehmen, konstruiert er sorgfältig einen Dialog, der außerhalb von Skulptur, Zeichnung oder Zeit (zumindest der historischen Zeit der Stilepoche) stattfindet. Dieser Akt der Aufgabe (zum Beispiel eines Mediums) ist der Schnitt, den er vornimmt, bevor er in und durch das passive, fast neutrale Manuskript und in den schlichten Raum, den es einnimmt, schneidet.

Indem er den Raum anritzt, einkerbt, Schicht um Schicht die Lagen der Haut übereinanderlegt, bringt Kocks ein explosives Bild hervor. Der Widerspruch ist ersichtlich. Eine sorglältige, gar fürsorgliche Methode - die sich langsam herausbildenden Stränge scheinen jetzt voller Energie, sie verströmen eine fast greifbare Anmutung von Bewegung und Zielgerichtetheit. Sie wirken wie ein optischer Malstrom an der Wand, an der Decke, auf dem Fußboden. Sie wirbeln vom Betrachter weg und um ihn herum, alles zugleich. Auf seltsame Weise verwirklicht Kocks' Werk mehr als seine simple Technik zu verheißen scheint.

Mir scheint, das Unwahrscheinliche und deshalb Erfreuliche und Provozierende ist, dass das Werk, bestehend aus simplen Schnittlinien und eleganten Negativflächen in Weiß oder Schwarz, so viel Emotion auslöst. Es birst schier, kaum gezähmt und verfeinert, in einem wie absichtslosen Ausbruch. Mit diesem eigenwilligen und überraschenden Akt der Darstellung, freigesetzt von einer zunächst eher resistenten, wenn nicht gar antagonistischen Geschichte, hat Andreas Kocks einen Ort gefunden, an dem sich Wucht entfalten kann, ohne bedrohlich zu wirken, an dem Gewalt besinnlich und grausame Akte erlösend sein können und an dem ein Bild die Hoffnung, die sein Entstehungsprozess erweckt, einlöst.

 

 

Andreas Kocks

Geboren 1960 in Oberhausen
1980 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Norbert Kricke, Ulrich Rückriem und Erich Reusch 
1987 BFA in Integration of Fine Art and Architecture, Kunstakademie Düsseldorf
1989 MFA in Sculpture, Kunstakademie Düsseldorf
1998-2006 Arbeitsaufenthalt in New York
2010/11 Lecturing Artist at SCAD, Savannah College of Art and Design, Lacoste, France, Atlanta, Savannah, GA, USA
Lebt und arbeitet in Königsdorf
 

Einzelausstellungen seit 2000 (Auswahl)

2023Der Schaum dieser Tage, Galerie Fenna Wehlau, München
2022Real Ghosts, Winson Wächter Fine Art, Seattle, WA.
2021Heavy Metal, Winston Wächter Fine Art, New York
2020We were talking about the space between us all…, Galerie Martin Kudlek, Köln
2019Solid Ether, Winston Wächter Fine Art, Seattle, WA
2017Im Dickicht der Stätten, Sebastian Fath Contemporary, Mannheim
 Places, Winston Wächter Fine Art, New York
2015The First Round, Winston Wächter Fine Art, Seattle, WA
2014The Singles Collections, Winston Wächter Fine Art, New York
 Galerie Wuensch, Linz
2013To Be Continued, Neue Werkstätten, München
2012in the loop, Städtische Galerie im Kornhaus, Kirchheim unter Teck
2011re:paint, Winston Wächter Fine Art, New York
 Momentary Suspension, Pei Ling Chan Gallery, Savannah College of Art and Design, Savannah, GA
2010Scattered, Sebastian Fath Contemporary, Mannheim
 Momentary Suspension, Trois Gallery, Savannah College of Art and Design, Atlanta, GA
 The Perfect Splash, Galerie Pfriem, Savannah College of Art and Design, Lacoste, FR
2009Current Events, Winston Wächter Fine Art, New York
 Eleven Works, Galerie Florian Walch, München
 Der Ort und sein Geschehen, Neue Galerie, Dachau
2008Paperworks, Neue Werkstätten, München
 The Making of Paperworks, Künstlerhaus am Lenbachplatz, München
2007Cannonball, Jeannie Freilich Fine Art, New York
2005INstallation, Papermuseum Lenningen 
1999Präsenz und Zurückhaltung, Diözesan Museum, Limburg
  

Gruppenausstellungen seit 2000 (Auswahl)

2024vielschichtig, Galerie Fenna Wehlau, München
 art Karlsruhe, Galerie Fenna Wehlau
2023small is big, Galerie Fenna Wehlau, München
 POSITIONS Berlin Art, Galerie Fenna Wehlau
2022Accrochage, Sebastian Fath Contemporary, Mannheim
2021Zbrika – Die Sammlung – The Collection Wuensch, Muzej-Museo Lapidarium & Galerija Rigo, Nowigrad-Cittanova
 SCHWARZ/WEIß. Zeitgenössische Papierschnitte, Neue Galerie Dachau
 25th Anniversary Exhibition, Winston Wächter Fine Art, New York
2020Cut Up, Winston Wächter Fine Art, Seattle, WA
2019UNTITLED Art Fair, Miami Beach, Winston Wächter Fine Art
 Silhouettes and Shadows, Kerava Art Museum, FIN
2018Schnittstelle Cut-Out trifft Schattenriss, Museum August Macke Hause, Bonn
 White, Sebastian Fath Contemporary, Mannheim
 kunstBUCHaktion, Modo Verlag, Freiburg
2017ART.NOW.2017, Hearst Tower Galleries, New York
 Art Cologne, Galerie Thomas, Köln
 paper positions munich, Galerie Thomas, München
2016Walking the Line, Galerie Martin Kudlek, Köln
 Splotch, Sperone Westwater Gallery, New York, NY
 Splotch, Lesley Heller Workspace Gallery, New York
2015Art on Paper Fair, Winston Wächter Fine Art, New York
 Die Heiterkeit der Seele, Galerie König, Hanau
 reliefreduktiv, QuadrART, Dornbirn, Österreich
 ART Karlsruhe, Galerie Linde Hollinger, Karlsruhe
 reliefreduktiv, SNO, Sydney, Australien
2014Weiss Inspiriert, Galerie Linde Hollinger, Ladenburg
 reliefdeduktiv, Kunstverein, Speyer
 Final Cut, Horst-Janssen-Museum, Oldenburg
2013Art Cologne, Galerie Thomas, Köln
 Habseligkeiten, Archäologische Sammlung, München
 The First Cut, The SeaCity Museum, Southhampton, England
 Djanology Art Gallery, Nottingham, England
20122D/3D, Reliefs in der reducktiven Kunst, Kunstverein Marburg
 reliefreduktiv, Künstlerverein Walkmühle, Wiesbaden
 ART Karlsruhe, Galerie Kränzl, Gaienhofen-Horn
 Kunst und Religion-Stille Zeichen, Kunstverein Villa Streccius, Landau
 Paperwork: Material and Metamorpohose, Crampedon Center of Art, L’lsle-Sur-La-Sorgue, FR
 The First Cut, Manchester Art Gallery, Manchester, England
2011ART Karlsruhe, Galerie Kränzl, Gaienhofen-Horn
 Im Blütenschimmer, Galerie Kränzl, Gaienhofen-Horn
2010KapuzinNeue Münchner Malerei, Galerie Vogdt, München
 Position 1, Galerie Bob Gysin, Zurich, Switzerland
 Auf: Bruch, Museum Biedermann, Donaueschingen
 LichtSchatten, Sebastian Fath Contemporary, Mannheim
2009Slash: Paper under The Knife, Museum of Art and Design, New York
2008On/Off Paper, Galerie K4, München
2007Galerie Kränzl, Göppingen
 9, Jeannie Freilich Fine Art, New York
 In The Beginning..., DG-Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst, München
2006Galerie Gisele Linder, Basel, Switzerland
 Cut It Out, The Roger Smith Gallery, New York 
 ART Basel, Galerie Gisele Linder, Basel, Switzerland 
 100 Artist - 100 Watercolors, Jeannie Freilich Fine Art, New York
 White, Anya Tish Gallery, Houston, TX
2005Sculpture, Haus der Kunst, München
 Papierkunst, Galerie Kränzl, Göppingen
 Over the Top- Under the Rug,” Shore Institute of Contemporary Art, Long Branch, NJ
 Remixed-PaperArt 9, Leopold-Hoesch-Museum, Düren 
2004Große Kunstausstellung, Haus der Kunst, München
2003Fresh: Works on Paper, James Kelly Contemporary, Santa Fe, NM
2002Große Kunstausstellung, Haus der Kunst, München
2001Kunstverein Schenefeld/Hamburg
2000Konrad Bosman Museum, Rees/Kleve
 Zu Gast in der..., Galerie Prisma, Bozen, Italien
  

Öffentliche Sammlungen

Virgin Hotel, Las Vegas, NV
MGM, Las Vegas, NV
Redwood City, San Francisco, CA
Mannheimer Versicherung AG, Mannheim
IBM Headquarters, Armonk, NY
Meeschaert Group, Paris
Daniel & Pamella De Vos Foundation, Grand Rapids, MI
Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt
Städtische Kunstsammlungen, Rehau/Bayern
Museum Schloß Moyland, Kleve
Städtische Kunstsammlungen, Aichach/Bayern
Bayrische Staatsgemäldesammlungen, München
Papiermuseum, Lenningen
Maxine and Stuart Frankel Foundation for Art, Michigan, USA
 

Auszeichnungen und Preise

2006Grant Pollock-Krasner Foundation, New York
  

Bibliografie (seit 2009)

2021Schiegl, Georg, Nicht von Pappe, in: Süddeutsche Zeitung, 19.05.2021
 Schatten-Schnitte, in: Münchner Feuilleton, Juli 2021
2013Padberg,Martina, Scherenschnitt reloaded, in: Schnittstelle, Cut-out trifft Schattenriss, Museum August Macke Haus, Bonn (cat.)
 Dichter, Claudia, Schnittstelle, Audiobeitrag in: Mosaik,WDR, 06.07.2018
 Kliemann, Thomas, Schnittstelle, in: General-Anzeiger Bonn, 09.07.2018
 Thiemen, Rolf, Zeichnen mit Messer und Skalpell, in: Rheinische Anzeigenblätter, 25.07.2018
 Wirth, Heidrun, Brückenschlag zwischen den Zeiten, in Bonner Rundschau, 24.07.2018
 Wirth, Heidrun, August-Macke-Haus erweitert, in: in Rhein-Zeitung, 24.07.2018
 Franz, Hans-Dieter, In Bücher kann man nicht nur schreiben, KunstBuchaktion, Modo Verlag, Freiburg
2017hey, Explosive Meditationen, in: Mannheimer Morgen, 22.11.2017
2016Jeng, Eileen, Splotch: A Visual Paradox, in: Splotch, Sperone Westwater and Lesley Heller Workspace,  New York (cat.)
 Morgan, Robert C., The Structure(s) of Splotch, in: Splotch, Sperone Westwater and Lesley Heller Workspace,  New York (cat.)
 Dafoe, Taylor, ‚Splotch‘ at Sperone Westwater, in: Blouin Artinfo, 22.12.2016
 Cohen, Alina, The Art World’s Most Daring – and Fun – Season, in: The New York Times Style Magazine, 28.07.2016
 Schütte, Christoph, Offene Türen in Hanau, in: FAZ, 15.01.2016
 Im Dialog mit tibetischer Kultur, in: Hanauer Anzeiger, 11.11.2015
 Pollinger, Melanie, Schule des Sehens, in: Main Echo, 16./17.05.2015
2014Lähnemann, Ingmar, Akkurate Dynamik, in: Final Cut, Horst Janssen Museum, Oldenburg (cat.)
2013Schumann, Frank, Zwischen Herzblut und Beitragskalkulation, in: Mannheimer Morgen, 06.11.2013
2012Kühne Andreas, Dialog über Jahrtausende, in: Habseligkeiten, Archäologische Staatssammlung München (cat.)
 Mutz Katharina, Alt oder neu?, in: Münchener Merkur, 12/2012
 Howes Natasha and Corridan Fiona, The Muse of Paper, in: The First Cut, Art Museums in Manchester, Nottingham, Southampton, (cat.)
 Space Invaders in: High Touch/Tactile Design and Visual Explorations, Gestalten, Berlin (Hrsg.)
 Kern Jan Peter, Pssst!, in: Die Rheinpfalz, 27.08.2012
 Herold Inge, Stille Zeichen, in: Stille Zeichen, Kunstverein Landau (cat.)
 Wheatley Paul, Andreas Kocks: paperworks, in: Artima Aktuell (cat.)
 Bleyl Matthias, Relief und Farbe, Janecke Christian, Darf’s etwas mehr sein? in: reliefreduktiv, Künstlerverein Walkmühle, Wiesbaden, Kunstverein Speyer, QuadrART Dornbirn, Neuer Kunstverein Aschaffenburg (cat.)
 Lamparth Brigitta, Was zählt ist das Wesentliche, in: Wiesbadener Kurier, 26.04.2012
 Peschke Marc, Zwischen zweiter und dritter Dimension, in: FAZ, 27.04.2012
 Bauer Kai, Über die Formatgrenzen hinaus, in: Teckbote, 03.04.2012
 Cadot Catherine, Quattre Artistes, in : La Provence, 25.02. 2012
2011Arning Anja, Kränzl versinkt im Blütenschimmer, in Südkurier 27.07.2011
2010Harris, Jane, Slash: Paper under the Knife, in: Time Out, New York, Jan.14 2010
 Neunhoeffer, Gerda, Eingefrorene Zeitmomente, in: Südkurier, 22.6.2010
 Warning, Wilhelm, Metamorphose des Raums, in: Auf:bruch- Vier Positionn zeitgenössischer
 Kunst, Museum Biedermann, Donaueschingen/ Freiburg 2010
 hey, Explosionen in der Galerie Fath, in: Mannheimer Morgen, 22.05.2010
2009Kuchenbeiser, Bernd, Zeigen und schweigen, in: Andreas Kocks, Der Ort und sein Geschehen, Neue Galerie, Dachau(Cat.)
 McFadden, David Revere, Andreas Kocks, Benign Violence, in: Slash:Paper under the Knife, Museum of Arts and Design, New York (Cat.)
 Schmidt, Petra und Stattmann, Nicola (Hg.) in Unfolded, Papier in Design, Kunst, Architektur und Industrie, Basel, Boston, Berlin
 Heise, Rüdiger, Papierene Explosionen, in: Applaus, München, Okt.2009

in Situ Aufnahmen

Beispiele ortsbezogener Werke

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