»Ich zeichne die Zeit, du malst den Moment«, lautet die Parole, die Ingo Fröhlich für die Zusammenarbeit mit Ulrike Seyboth gefunden hat. Die Ausgangslage ist für beide dieselbe, die weiße Fläche, wenn auch nicht im gleichen Sinne wie für andere Maler und Zeichner. Die Abkehr von dem verbreiteten Habitus, die weiße Leinwand oder den weißen Bogen Papier lediglich als Oberfläche, als zweidimensionale Unterlage für ein Bild aufzufassen, ist die erste maßgebliche Vorentscheidung ihrer Arbeitsgemeinschaft. Weiß ist nicht bloß eine neutrale Grundierung. Die Strahlkraft dieser Farbe verleiht dem materiellen Bildträger jeweils eine ganz bestimmte, buchstäblich »untiefe« Räumlichkeit: leer, aber undurchsichtig; dicht und dennoch offen; gleichförmig bei völliger Instabilität. Man kann in diesen untiefen Raum feste Dimensionen einziehen, Formen projizieren, eine Figur-Grund-Ambivalenz konstruieren und dergleichen mehr. Aber man kann auch die Leere, Dichte und Fluidität der weißen Bildfläche selbst als etwas Formbares, als ein plastisches Medium betrachten, wie Ingo Fröhlich und Ulrike Seyboth das tun. Dann ist jeder Strich eine Spur, die so alleine nicht stehen bleiben kann, und jeder Fleck eine Markierung, die ihren Ort erst noch finden muss, das heißt: der Anfang einer Art von Dialog mit ungewissem Ausgang.
Robert Kudielka, Berlin, 2021