Im Sommer 2018 beschließt Peter Lang, ein weiteres Mal nach Island zu reisen: er interessiert sich dafür, das Polarlicht bildnerisch umzusetzen. Innerhalb kürzester Zeit organisiert er den Aufenthalt vom Transport bis hin zur Unterkunft. Die Gemeinde Snaefellsbaer stellt ihm auf Anfrage das leerstehende Rettungshaus mit Blick zum Gletscher und zum Meer für mehrere Monate als Atelierhaus zur Verfügung. Sämtliches Inventar, alle Malutensilien, Leinwände, Papiere und sogar eine Radierpresse verschifft er mit einem Container nach Island. Vor Ort soll es ihm an nichts fehlen, will er sich doch ungestört der Arbeit widmen. Er und sei- ne Frau Gabi treffen im November 2018 in Hellissandur ein. Bevor es aber mit der eigentlichen Arbeit losgehen kann, werden für den Ausblick auf das Meer mitgebrachte Fenster eingebaut.
Der Winter und die dunkle Zeit kommen schon bald und mit ihnen die Naturbeobachtungen unter freiem Himmel und die eigentliche Atelierarbeit. Das Polarlicht in seiner Ungreifbarkeit und seiner ganzen Komplexität, einer Farbigkeit von grün, rot, violett bis blau und seinen gleichmäßig wie strahlenförmigen Bögen, Flächen und Bändern, den pulsierenden Flächen und Bögen, der Korona und den Zenit gerichteten, pulsierenden Strahlen, hat Peer Lang zu neuen Bildfindungen und zu einer Wiederentdeckung der Radierung inspiriert.
Es entstehen 33 Radierungen, die in ihrer Gesamtheit davon zeugen, dass hier ein Meister der Radierung arbeitet, der das ganze Repertoire an Techniken und Verfahren beherrscht. Peter Lang erreicht stark ausgeformte Plastizität und nuancierte Licht- und Schattenwirkung in Mezzotinto- und fein gestufte Tönungen in Aquatintatechnik.
Jedes einzelne Blatt ist voll durchkomponiert, kraftvoll und immer wieder neu. Seine Radierungen bestechen in ihrer bildnerischen Umsetzung des Naturphänomens Polarlicht, sie sind ruhig bis kraft- voll, teilweise explosiv im Ausdruck – alles ist gefühltes Erleben und zeugt von der Freude des Künstlers in diesem Medium zu arbeiten und die Unvergleichbarkeit des Augenblicks einzufangen.
Parallel zu den Radierungen bearbeitet Peter Lang Leinwände in unterschiedlichen Formaten von 50 × 80 cm bis zu 200 × 570 cm, alle Formate sind auf den Rücktransport im Container abgestimmt. Es entstehen die für ihn typischen ruhigen Landschaftimpressionen, wie „Þú Breiði Fjörður“ (50 × 230 cm) und „Við Eldborgarhraun“ (80 × 120 cm) in farblich fein abgesetzter Linienführung und vergrößerte Fragmente von Naturbeobachtungen, wie das Aufeinandertreffen von Himmel und Meer in „Fjarlæg›in Gerir Fjöllin Blá“ (80 x 120 cm). Die malerische Umsetzung des Polarlichtes wird für ihn kompositorisch herausfordernd und fordert ihm neuen Lösungen ab: steil abfallendes Licht fasst er wie in „Ljósadýrð“ mit 230 × 140 cm in starke Hochformate. In „Óve›uri Asigi“ (125 Å~ 120 cm), „Ljósabönd“ (120 Å~ 190 cm) und „Solvindar Á Nætur Himni“ (80 x 120 cm) unterliegen die grob ausgearbeiteten, kreisenden Bewegungen der Aurora Borealis den darüber gearbeiteten Vertikallinien. In mehrerenkleineren Malereien wiederum zieht er Fragmente der Lichterscheinungen hoch und kommt so zu einem eher ruhig angelegten
horizontalen Bildaufbau, wie in „Við Dönsum í Nótt“(50 × 80 cm). In einer seiner letzten großen Arbeiten vor Ort, „Ljóslogar Í Náttmyrkri“ (140 x 390 cm), macht er eine ganz neue Vielfalt der Schlagschnurtechnik auf und setzt kürzere, in Abfolge gesetzte, sich scheinbar bewegende Linien. Jede einzelne Malerei aus diesem Zyklus ist ein Meisterwerk, eine Glanzleistung an sich und Ausdruckder Erfahrung, die Peter Lang mit seiner Malweise gewonnen hat.
Hinzu kommen die isländischen Titel – sie entstehen in enger Zusammenarbeit von Peter Lang und seinem isländischen FreundSigfus Almarsson. Dieser sieht die sinnlichen Bedeutungen in den Bildern und findet typisch isländische Begriffe und Formulierungen. Die Titel betonen das Poetische in den Bildern von Peter Lang, sie bringen uns die isländische Welt mit ihren Sagen und Mythennäher und sind Ausdruck seiner authentischen Herangehensweise. Schauen wir sie uns genauer an, so merken wir schnell, dass sie sich nicht direkt ins Deutsche übersetzten lassen. Sie sind irgendwo „dazwischen“ so wie „Nidur“ (230 Å~ 140 cm) einen Zusammenklang bedeuten kann und auch etwas von Schönheit erzählt. Auch sind sie Ausdruck der Mystik, die seinem Gesamtwerk unterliegt. Mit den Ergebnissen seiner Malreise Island 2018/ 19 lässt uns Peter Lang in die isländische Natur eintauchen und stillt unsere Sehnsucht nach unberührter Landschaft. Es ist diese bildimmanente Sehnsucht, die uns als Betrachter immer wieder neu in den Bildraum eintreten lässt.
Es freut mich sehr, die Malereien und Radierungen zu „Peter Lang und das Polarlicht“ erstmalig in zwei aufeinander folgenden Ausstellungen in meiner Galerie zeigen zu können. Zusammen mit meiner Webmasterin Marion Ehrl habe ich Peter Lang und seine Frau Gabi während ihres Aufenthaltes in Island besucht und ein Stück Arbeitsalltag mit Naturbeobachtungen und Atelierarbeit miterlebt. Hier wird hochkonzentriert und ausdauernd gearbeitet.
Wie Peter Langs Bilder den Lichtverhältnissen und Stimmungen auf Island entsprechen, kann ich seitdem noch vielmehr nachempfinden.Ich habe Hochachtung vor seinem Einsatz für das Werk, die Entbehrungen und Risiken, die er bereit ist, hinzunehmen und einzugehen. All dies ist nur möglich durch die Unterstützung von Familie, Freunden und der isländischen Gemeinschaft von Hellissandur. Ich danke den Langs für die konstruktive Zusammenarbeit und wünsche dem tourenden Ausstellungsprojekt viel Erfolg und viele interessierte Besucher.
Fenna Wehlau