Margit Hartnagel

ins herz hinein rauschen

20. April bis 22. Juni 2018

Inmitten aller Unruhe

die Ruhe fühlen

in der Mitte

aus der Mitte

prall das Leben

unzählige Möglichkeiten

Potenziale

ICH und Herz

sind eins

Margit Hartnagel 

 

 In Herz hinein rauschen

Nichts erläutert uns besser den malerisch-philosophischen Prozess der Bild-Welt-Entstehung als der folgende Satz Margit Hartnagels:

"Am Anfang ist das Bild leer, leer ist es am Ende. Dazwischen habe ich gemalt.“ (Margit Hartnagel 2014)

Ähnlich ergeht es den Betrachtern der wohl kalkulierten Bildräume von Margit Hartnagel. Ihre gehauchten Bildkörper pulsieren am Übergang von Licht und Dunkel, von Tiefe und Nähe. Eine Welt, in der Leere und Fülle, Materielles und Immaterielles zugleich präsent sind. Nicht erst seit der Farbfeldmalerei eines Marc Rothko ist die Entgrenzung des Raums ein Thema der Kunst. Schon die gleichsam im Dunst verschwimmende Bildwelt des Caspar David Friedrich wurde so wahrgenommen. Sein „Mönch am Meer“ steht vor einer schier unendlichen Weite. Nichts gibt halt.

Dennoch stürzen uns die Bilder Margit Hartnagels nicht in eine aussichtslose Melancholie. Ihre Bildwelt antwortet auf die wesentlichen Fragen der Welt mit einer durchaus heiter-angemessenen Nachdenklichkeit und verrät damit eine gelassene Befindlichkeit, die sagt, „ich bin schon ein Stück weit des Weges gegangen, den ich erahne und zugleich weiter gehen will“. Die Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach nannte diese kluge und sinnliche Gelassenheit die vielleicht anmutigste Form des Selbstbewusstseins. Es ist höchst reizvoll, diesem Weg zu folgen und wer die suggestive Kraft der großen gehauchten Tafelfelder spürt, mag gar nicht ohne sie mehr leben.

Martin Oswald (geb. 1960) ist Professor für Kunst. Zeichner, Kurator, Autor, Kabarettist.

„Ruhe in Dir und sei wach!“ ruft uns die Künstlerin in einem ihrer großartigen Aphorismen zu, in denen sich Poesie und Pigment auf feine Weise verschwistern. Margit Hartnagel proklamiert darin eine Haltung gegenüber dem Leben, sowie zu ihrer Bildwelt, die in ihrer grandiosen Weite einen Moment der Stille und ein Innehalten im Meer subtiler Farbtöne bedeuten, doch zugleich einen Grad höchster Präsenz und Wachheit erfordern, der erst jenes Erleben ermöglicht, welches das Leben zum Erlebnis macht.

Wer sich darauf einlässt, wird spüren: Die Bilder Margit Hartnagels lassen all diejenigen, die sich von ihnen haben einmal umfangen lassen, einfach nicht mehr los. Und so ist der Titel „ins herz hinein rauschen“ mehr als ein Programm. Und so gilt mein kleiner Vortrag dem Versuch, dieses berührende Phänomen zu deuten.

Die Poesie der Bilder will ergründet sein. Einerseits erleben wir die Fülle, auf der anderen Seite das Nichts, das kaum Fassbare, die ewige Suche, das Neblichte, das Unergründliche, in dem wir seit der Romantik, dem eigentlichen Auftakt zur Moderne, vergebens die Schwelle zu überschreiten suchen, verkennend, dass sich doch alles – ja wo eigentlich befindet? Margit Hartnagel liebt und sucht solche Widersprüche, die sich vielleicht leichter im Nichts fluider Farbnuancen auflösen lassen als durch rationale Argumentationen.

Der Raum dazwischen, den Margit Hartnagel in ihren neuen Bildern umfängt, ist ja eigentlich ein Leerraum, ein Blick ins Unergründliche. Oszillierend, kein Zentrum, NO CIRCLE, wie uns der Titel der einer anderen Serie mitteilt. Es ist eine Annäherung zweier fast sphärischer Farbelemente, die aufeinander zudriften und sich doch nie berühren. So etwas verunsichert, zieht uns gleichsam den Boden unter den Füßen weg, sei es, weil wir weder Halt finden noch Möglichkeiten erkennen, uns in irgendeiner Form zu orientieren. Und doch übt es eine geheime Faszination aus und damit jenes gemischte Gefühl des Erhabenen, das schon Friedrich Schiller als Empfindung zwischen Wonne und Entsetzen beschrieben, als erahnte Brücke zwischen den Polen Hell und Dunkel, eine Erfahrung, mit der uns im 20. Jahrhundert Künstler wie Barnett Newman aufs Neue – etwa in seinem Bild „Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau?“ - konfrontierten und irritierten. Sich im Raum dazwischen zu bewegen, heißt immer auch ein Stück „Wandern am Abgrund“.

Dieses sublime Stochern im Nebel hat schon die Romantiker fasziniert hat und es hat der Bildenden Kunst zugleich jenes Tor zur Freiheit eröffnet, von der sie bis heute profitiert. Denn wo das Unergründliche zum Thema wird, verliert sich alle Bindung an den Gegenstand und damit auch der Zwang, ein Abbild einer Welt zu schaffen, die sowieso nur Illusion. Solcher Kunst geht es allenfalls um den Geist der Natur, und nicht um diese selbst. Ungegenständlich darf und soll sie sein, da alles, was wir sehen, fühlen, spüren sowieso nur ein Konstrukt, eine Schimäre unseres Seins ist, wie unser Denken, das gerade daran scheitert, dass wir stets nach Deutung streben, selbst dort, wo sie naturgemäß versagt und jede Spur, jedwede Kontur sich vage ganz verliert.

Auszug aus der Einführungsrede von Prof. Martin Oswald zur Eröffnung der Ausstellung „in herz hinein rauschen“ von Margit Hartnagel

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